Hans
Steffen, a. Nationalrat, Fischenthal
Vor
allen wichtigen Abstimmungen und Wahlen werden von Meinungsforschungs-Instituten
durch Befragung einer bestimmten Anzahl von Bürgerinnen und
Bürgern Meinungstrends ermittelt und oft in mehreren Phasen
durch die Massenmedien veröffentlicht. Im Volk bestehen berechtigte
Zweifel, ob diese Verfahren wirklich "wissenschaftlich"
seien oder ob sie durch die Veröffentlichung von Resultaten
nicht einfach der gezielten Manipulation der Volksmeinung dienten.
Definition
Das neue Duden-Lexikon schreibt zum Begriff "Demoskopie",
sie sei gleichzusetzen mit "Meinungsforschung" und bezeichne
ein sozial-wissenschaftliches Verfahren zur Ermittlung der Meinungsverteilung
in der Gesellschaft. Sie geschehe durch Befragung eines repräsentativen
Querschnitts der zu erforschenden Gesellschaft. Anwendung finde
sie als Marktforschung und im Bereich der politischen Vorhaben.
Zur
Geschichte der Meinungsforschung
Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde im Rahmen der Entwicklung
der Statistik festgestellt, dass Teilerhebungen sehr ähnliche
Ergebnisse liefern konnten wie Vollerhebungen. Der amerikanische
Meinungsforscher Georg Horace Gallup (*1901) hatte in den Dreissigerjahren
sein "American Institut of Public Opinion" (Anstalt zur
Erforschung der öffentlichen Meinung) gegründet. 1935
führte er vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen
bei einer kleinen Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern eine
Art "Vorwahl" durch, publizierte das Resultat und veröffentlichte
in den Medien, wer die Wahl gewinnen würde. Als seine Prognose
stimmte, wurde Gallup weit über die Grenzen der USA berühmt.
Interessant ist, dass ihn eine spätere Fehlprognose weltweit
noch berühmter machte. Allerdings fehlte es nicht an kritischen
Stimmen zu seinen Methoden.
Unter dem Patronat der "NHG -Neuen Helvetischen Gesellschaft"
wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die "Volksumfrage 1946"
mit zwei Erhebungen durchgeführt, eine Umfrage an Haushalte
(rund 52'000 Personen) und eine bei einem ausgewählten Zielpublikum
(3'000 Personen) mit teilweise gleichen Fragen. Das Resultat konnte
erst zwei Jahre später veröffentlicht werden.
Ohne auf die Resultate eingehen zu wollen, sei doch auf die Skepsis
gegenüber der Meinungsumfrage hingewiesen, wie sie von den
Verantwortlichen in der Einleitung zum Bericht vorgebracht wurden:
1.
"Derartige Umfragen können grosse Dienste leisten, wenn
sie nur dazu benützt werden, wahrheitsgetreu die Meinung der
Leute zu erforschen.
Sie
werden hingegen zu einer Gefahr, wenn man sie zur Lenkung und Beeinflussung
ihrer Meinung benützt, vor allem wenn man jenen, die keine
eigene Meinung haben, eine fremde einflüstert.
Dann
werden die Umfragen zu einem Mittel der Gleichschaltung und der
gefährlichen Vermassung.
2. Werden die Umfragen tendenziös aufgezogen, so werden die
Ergebnisse immer so herauskommen, wie es jene wünschen, die
die Befragungsmethoden missbrauchen.
Werden
die Fragen, bewusst oder auch ohne Absicht, schlecht gestellt, so
kann man dem Befragten stets die gewünschte Antwort entlocken.
Werden
die Antworten nicht gewissenhaft ausgelegt, so wird man zu falschen
Ergebnissen kommen, die die Meinung der Befragten verfälschen.
Missbrauch!
3.
Umfragen dürfen nicht zur Befriedigung der Sensationslust dienen."
Diese
selbstkritischen Gedanken geben Zeugnis für die Ehrbarkeit
der verantwortlichen Meinungsforscher der "Volksumfrage 1946".
Sie bestärken mit den obigen Anmerkungen heute und künftig
all jene, welche die Meinungsumfragen im politischen Bereich als
Mittel zur Manipulation der Masse betrachten; zu denen gehören
auch führende Vertreter der "Schweizer Demokraten (SD)".
Politische
Meinungsforschung in neuerer Zeit
Die Katholisch-konservative Partei (heute CVP) engagierte 1970 ein
Deutsches Marktforschungsinstitut und liess durch eine gezielte
Umfrage ermitteln, welche Einstellungen, Wünsche, Forderungen
und Ziele in der Bevölkerung vorhanden seien, um so die Grundlagen
für ein künftiges Parteiprogramm zu finden.
Die nur knappe Verwerfung der "Schwarzenbach-Initiative der
Nationalen Aktion" 1970 und der Wahlerfolg von Nationaler Aktion
(NA) und Republikaner (REP)1971 müssen dazu beigetragen haben,
dass das Establishment der Umfrageforschung durch neue Aufträge
zu einem ersten Aufschwung verhalf, der sich mittlerweile enorm
ausweitete.
So wurden durch eine Forschergruppe der Universität Genf die
Resultate der Wahlen 1971 mittels einer Nachbefragung durchleuchtet.
Man wollte wissen, was zum Erfolg der Ueberfremdungsgegner geführt
hatte.
Aber nicht nur Politiker waren an Umfragen interessiert. Wirtschaftsverbände
suchten Antworten auf Fragen, die sich aus dem Verhalten des Volkes
ergaben. So liessen Wirtschaftsverbände durch Meinungsforscher
sondieren, wie Fremdenfeindlichkeit entsteht, um den Ueberfremdungsinitiativen
der NA/REP politisch und werbemässig begegnen zu können.
Meinungsforschung
oder Manipulation
Spätestens seit die Bundesverfassung vom 18. April 1999 dem
Bundesrat in Artikel 180 neu die Kompetenz einräumt, Ziele
und Mittel seiner Regierungspolitik zu bestimmen, dass er staatliche
Tätigkeiten plant und koordiniert und er die Zuständigkeit
hat, die Oeffentlichkeit rechtzeitig und umfassend über seine
Tätigkeit zu informieren, bedient er sich allen Mitteln der
"Public relations" um seine politischen Ziele durchzusetzen
- also Regieren von oben nach unten. Bundesrätliche Kampagnen
bei den Abstimmungen über die neue Bundesverfassung, das Militärgesetz
oder den UNO-Beitritt sind in böser Erinnerung, wurden sie
doch zum Teil mit Steuergeldern finanziert und mit persönlichem
Einsatz der Mitglieder des Bundesrates begleitet.
Umfragen nehmen in diesen Kampagnen einen wichtigen Stellenwert
ein. Claude Longchamp vom GFS-Forschungsinstitut gibt öffentlich
zu (Zitat):
"Wenn es darum geht, die Ausgangslage in einer umstrittenen
Initiativ-Abstimmung zu bestimmen, Zielgruppen der Kommunikation
zu eruieren, greifen die Generalsekretariate der Departemente und
ihre Informationsstellen sehr wohl zu Mitteln der Demoskopie......"
Longchamp schildert als einen Typ der politischen Meinungsforschung
die "Kampagnenstudien", welche gleich einem Barometer
die positive oder negative Wirksamkeit einer Kampagne laufend ermitteln
und zu Massnahmen führen. Besser sei nur noch, wenn mit Hilfe
der Meinungsforschung vor Beginn einer Kampagne eine Auslegeordnung
der besten Argumente für die nachfolgende Kommunikation erstellt
werde.....
Kommentar
Die Politstrategen haben offensichtlich den Wert der Meinungsforschung
als Mittel zur Beeinflussung - ja Manipulation - erkannt und setzen
diese hemmungslos ein. Es genügt, die oben erwähnten und
fett gedruckten drei Punkte aus der Einleitung der"Volksumfrage
1946" nochmals durchzulesen. Ganz offensichtlich wenden Meinungsforscher
und ihre Auftraggeber genau die Praxis an, welche als "Gefahr"
geschildert wurde. Wo bleibt da die ehrliche politische Auseinandersetzung
von Befürwortern und Gegnern? Auf der Strecke!
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