Von der souveränen Schweiz zum
unterwürfigen EU-Nettozahler.
Von Lukas
Reimann, Kantonsrat, Wil SG
Die Schweiz
steht bei der Abstimmung über die Ostmilliarde vom 26. November vor
einer folgenschweren Entscheidung. Soll sie in der Welt weiterhin
als souveräner und starker Verhandlungspartner oder als devoter
EU-Nettozahler wahrgenommen werden? Die Abstimmung hat eine grosse
Signalwirkung für zukünftige Verhandlungen. Und es geht dabei längst
um einen weit höheren Betrag als „bloss“ um diese eine Milliarde.
Finanzpolitisches Desaster
1´000´000´000 –
eine Milliarde Schweizer Franken. Das ist eine gewaltige Summe.
Insbesondere deshalb, weil die Schweiz ihrer Jugend eine
unglaubliche Schuldenlast hinterlässt und sich derart teure
Auslandszahlungen nicht leisten kann. Die gesamte öffentliche Hand
ist bereits mit über 250 Milliarden Franken verschuldet. Um die
laufenden Staatskosten zu decken müssen Schulen und Spitäler
geschlossen werden und im Gegenzug werden die Bürgerinnen und Bürger
mit immer höheren Gebühren, Abgaben und Steuern belastet. Die
Vorlage würde diesen Trend verstärken, denn bis heute besteht kein
klares Finanzierungs- und Kompensationskonzept für diese Milliarde.
Klar ist: Das Geld wird anderswo fehlen. Und schlussendlich zu
spüren bekommt es jeder einzelne Schweizer Bürger und jede einzelne
Schweizer Bürgerin.
Doch
bei dieser einen Milliarde ist noch lange nicht Schluss. Denn das
revidierte Osthilfegesetz öffnet auch die Schleusen für weitere
Zahlungen bei künftigen Erweiterungen der EU. Es sieht keine
Begrenzung nach oben vor und ermöglicht so als gesetzliche Grundlage
weitere, ausufernde Transfers ins Ausland. Da es in der
Eidgenossenschaft kein nationales Finanzreferendum gibt, könnte das
Volk bei weiteren Zahlungen kein Referendum mehr ergreifen. Das
Schweizer Volk wäre dann zum Zahlen und zum Schweigen verdammt. Dies
ist antidemokratisch und besorgniserregend. Denn weitere Zahlungen
sind schon heute absehbar. Bereits fordert Brüssel weitere Hunderte
von Millionen Franken zugunsten von Rumänien und Bulgarien im
Hinblick auf ihren EU-Beitritt 2007/2008. Und der
EU-Erweiterungsprozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Man denke
an Kroatien, Mazedonien oder an die Türkei.
Das Osthilfegesetz führt uns in ein rasantes finanzpolitisches
Desaster und es gibt nach dieser Abstimmung kein Zurück mehr. Denn
die einzig wirksame Notbremse - das Volk und die Direkte Demokratie
– würden vollständig abmontiert.
Grosse
aussenpolitische Signalwirkung
Der Vorlage
kommt eine aussenpolitisch entscheidende Signalwirkung zu. Auch in
Zukunft wird die Schweiz mit der EU sowie mit anderen Organisationen
und Staaten dieser Welt über weitere und neue Abkommen verhandeln.
Ob unser Land dabei als souveräner und starker Verhandlungspartner
oder als devoter EU-Nettozahler wahrgenommen wird, ist für die
Zukunft von grosser Bedeutung!
Die
Schweiz wird mit diesem Gesetz bei künftigen EU-Erweiterungen
zwangsläufig unter Zahlungsdruck und unter Erpressungsdruck geraten.
Und bei anderen Verhandlungen wird man im Ausland die hohle Hand der
Schweiz entgegenhalten. Sie ist ja offensichtlich bereit, beim
Abschluss von internationalen Verträgen „grosszügige Gesten“
(Altbundesrat Deiss) zu machen. Warum nicht auch, wenn wir bei einem
neuen EU-Forschungsprogramm mitmachen wollen? Die Schweiz profitiert
ja wieder. Warum nicht auch, wenn wir mit Südkorea einen
Freihandelsvertrag aushandeln? Auch dort gibt es Bedürftige. Warum
nicht auch, wenn wir mit Russland ein Handelsabkommen abschliessen?
Geld ohne direkte Gegenleistung ist auf der ganzen Welt willkommen.
Die
Souveränität unseres Landes ist somit in Gefahr. Die
Verhandlungsposition der Schweiz wird geschwächt und wir machen uns
lächerlich und erpressbar.
Es wird
schwierig für die Schweiz unter solchem Umständen noch als
ernstzunehmender, selbstbewusster Verhandlungspartner wahrgenommen
zu werden. Schlechtere und logischerweise auch teurere Abkommen
werden die Folge davon sein. Schmiergeld sollte nicht zum
Hauptmerkmal unserer Aussenpolitik werden!
Zahlen
wofür?
Im Abstimmungskampf zu
den Bilateralen haben verschiedene Bundesräte und die
Befürworterseite mehrfach beteuert, die Verträge seien «ausgewogen»
und die Kohäsionszahlungen hätten überhaupt nichts mit den
Bilateralen zu tun. Wenn nun plötzlich behauptet wird, das Schweizer
Volk habe bei den Abstimmungen über Schengen und die
Personenfreizügigkeit gleichzeitig der Milliardenzahlung zugestimmt,
so ist das eine widerliche Lüge! Wäre die EU-Milliarde direkt mit
den Vorlagen zu den Bilateralen und der Ost-Zuwanderung verknüpft
worden, so hätte das Abstimmungsergebnis wohl anders ausgesehen. Die
Resultate waren schon ohne diese Milliarde sehr knapp.
Mit der
Ausdehnung des freien Personenverkehr öffnen wir unseren
Arbeitsmarkt und unsere Sozialwerke für sämtliche Bürger der neuen
EU-Staaten. Der Druck auf dem Arbeitsmarkt und auf die Löhne wird
dadurch schon heute verstärkt. Dafür auch noch eine Milliarde zu
bezahlen ist absurd. Ebenso grotesk ist die Behauptung, die EU werde
die Bilateralen Verträge bei einem Nein zum Osthilfegesetz in Frage
stellen. Das ist reine Angstmacherei. Die EU wird niemals
demokratisch und rechtlich verbindlich abgeschlossene Verträge
aufheben. Dazu ist selbst die EU zu demokratisch. Und zu gross sind
die Vorteile, welche sie aus ihnen ziehen kann. Von den
Lastwagentransporten über den Abbau der technischen Handelshemmnisse
bis hin zur Zinsbesteuerung.
Wohin
fliesst das Geld?
Es stellt sich
die berechtigte Frage, wofür das Geld denn eigentlich verwendet
wird. Bisher ist einzig geregelt, wie viel Geld in welches Land
fliessen soll. So zum Beispiel 489 Mio. nach Polen, 130 Mio. nach
Ungarn oder 109 Mio. nach Tschechien. Die konkreten Projekte sind
noch unbekannt. Ein Blick in den EU-Kohäsionsfonds lässt allerdings
nichts Gutes erahnen. So bestätigen diverse Berichte von
Aufsichtsorganen und unabhängigen Experten, dass ein grosser Teil
des Geldflusses nicht kontrolliert werden kann und somit für
Korruption und Bürokratie anstatt für echte Hilfe verloren geht. Und
jenes Geld, das nicht in den Händen von gierigen Beamten und
dubiosen osteuropäischen Politikern verschwindet, wird leider auch
nicht für frierende Strassenkinder oder hungernde Senioren
eingesetzt. Denn die Zauberformel des
EU-Kommissionspräsidenten heisst "Earmarking of funds from cohesion
funding" - zu deutsch "Zweckbindung von Mitteln des Kohäsionsfonds".
Diese Zweckbindung sieht vor, dass ein Grossteil der Fördermitteln
nur noch zur Wettbewerbsfähigkeit, eines der Hauptziele der
EU-Lissabonstrategie, eingesetzt wird. Das heisst, dass mit dem Geld
neue Autobahnen oder Verwaltungs- und Funktionärsbüros gebaut werden
und Grosskonzerne gefördert werden. Anstatt den leidenden Menschen
zu helfen, wird hier also die direkte Konkurrenz von Schweizer
Unternehmen gefördert. Die Arbeitslosen und Armen müssen ja nicht
mit EU-Geldern gefördert werden. Sie sollen – dank dem freien
Personenverkehr – einfach auswandern – unter anderem in die Schweiz,
wo die Sozialwerke noch halbwegs intakt sind.
Niemand zweifelt
daran, dass auch die Schweiz einen solidarischen Beitrag an ärmere
Menschen in anderen Ländern dieser Welt leisten soll. Doch über die
Entwicklungszusammenarbeit leistet die Schweiz schon heute einen
sehr hohen Beitrag. Für die Jahre 2004 bis 2007 sprach des Parlament
beispielsweise einen Rahmenkredit von 4,2 Milliarden Franken für die
Entwicklungszusammenarbeit. Und über weitere – oft vom Staat
subventionierte - Organisationen fliessen weitere Milliarden ins
Ausland. Die Schweiz tut also heute schon sehr viel für die Welt.
Und dieses freiwillig und unabhängig eingesetzte Geld hilft den
Bedürftigen auf jeden Fall besser als aufgrund von EU-Druckversuchen
Geld in dubiose Projekte zu stecken. Die
neuen EU-Staaten bekommen über den EU-Kohäsionsfonds bereits
Milliarden. Und dies soll gemäss EU-Finanzhaushalt solange
fortgesetzt werden, bis das Pro-Kopf-BIP über 90 % des
Gemeinschaftsdurchschnitts liegt. Die Schweizer Hilfe wird also in
diesen Staaten ganz bestimmt nicht mehr gebraucht.
Über
EU-Zahlungen in die EU
Den
EU-Befürwortern ist längst klar, dass die Stimmbürger einem direkten
EU-Beitritt niemals zustimmen würden. Daher versuchen sie durch die
Hintertür die wichtigsten Hürden abzubauen.
Schon vor Jahren äusserte sich Bundesrat
Moritz Leuenberger mit unüberbietbarer Klarheit (Frankfurter
Rundschau vom 2.3.2001): „Je mehr Hürden wir abbauen, desto
selbstverständlicher kann der EU-Beitritt später vollzogen werden“.
Die zwei allergrössten Hürden sind dabei die Direkte Demokratie und
die riesigen Nettozahlungen an die EU. Beides wird durch das
Osthilfegesetz empfindlich angetastet.
Denn über das
Osthilfegesetz und über die Teilnahme an weiteren EU-Programmen
sollen in Zukunft Milliarden von Schweizer Franken in die marode EU
gepumpt werden. Und das Volk soll gemäss Gesetz zu diesen Ausgaben
nichts mehr sagen können, was die Direkte Demokratie in diesem
Bereich ausschaltet.
In einigen
Jahren wird es dann heissen: „Liebe Schweizer! Ihr bezahlt uns schon
heute mehr als die meisten Mitgliedsstaaten und dazu sagen könnt ihr
auch nichts. Also könnt ihr uns ja gleich beitreten!“.
Nur ein Nein
zum Osthilfegesetz bewahrt die Schweiz vor einem finanzpolitischen
Desaster mit unabsehbaren finanziellen Folgen und nur ein Nein
erhält die starke aussenpolitische Verhandlungsposition der Schweiz
als souveräne, unabhängige Nation!
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