Die UNO: Stimmen Worte und Taten überein?

Die (Miss-) Erfolgsbilanz der UNO

Eines der entscheidendsten Argumente der Befürworter eines UNO-Beitrittes ist die These, der UNO komme eine nicht zu vergleichende Rolle bei der internationalen Friedenssicherung zu. Diese These soll nachfolgend näher untersucht werden, und zwar anhand der zwei wich-tigsten und wohl bekanntesten Instrumente der UNO, des Mandats für einen militärischen Einsatz sowie des Wirtschaftsembargos:

Die UNO - Mandate, welche der Sicherheitsrat anordnen kann, waren insgesamt gesehen ein Reinfall. Ein Expertenbericht der UNO, der sogenannte Brahimi - Bericht, der die "Frie-denseinsätze" der UNO während den letzten 10 Jahren untersucht hat, kommt zum Schluss, dass die UNO - Einsätze in den meisten Fällen gescheitert waren. Alle 40 UNO - Mandate in den 90 - er Jahren waren ein Misserfolg! Abgesehen davon gab es dafür verletzte und sogar tote Soldaten.
Ein von Kofi Annan eingesetzter Untersuchungsausschuss ist zudem zum Ergebnis gekom-men, dass die UNO und insbesondere der Sicherheitsrat mitverantwortlich für den Völker-mord in Ruanda seien, bei dem 800000 Tutsi und gemässigte Hutu ihr Leben lassen mussten. 1994 verlangte der in Ruanda zuständige General Dallaire 5000 Soldaten, um das Vorherge-sehene zu verhindern. Die UNO stellte sich taub und der darauf folgende Völkermord war ein Massaker, das seinesgleichen sucht. Klare Warnungen selbst von UNO - Beauftragten wur-den ignoriert.
Zynischerweise verursachen Einsätze unter UNO - Mandat nicht selten sogar selbst eine hu-manitäre Katastrophe. Im Irak werden wegen der bei der Intervention verwendeten uranhalti-gen Munition noch heute Kinder mit schrecklichen Missbildungen geboren.

Die Erfolgsbilanz der Wirtschaftsembargos sieht nicht besser aus. Auch hier bestimmt nicht etwa die Generalversammlung über Wirtschaftssanktionen, sondern einzig und allein der UNO - Sicherheitsrat, mit der Konsequenz, dass die Embargos auch sehr einseitig ausgerich-tet sind. Dabei findet das System, wonach eine Konfliktpartei zu den "Bösen" gemacht wird und von den "selbstlosen internationalen Friedensrettern" für ihre Untaten an den Unschuldi-gen bestraft werden müsse, breite Anwendung. Von den zivilen Opfern, welche durch die oftmals schlecht durchdachten Interventionen, insbesondere der USA, entstehen, redet nie-mand. Zudem bleiben die "Mächtigen" selbst von solchen Massnahmen weitgehend ver-schont, so hat z.B. China bisher keine Wirtschaftsembargos erdulden müssen wegen ihrer menschenverachtenden Taiwan - Politik und ihrem menschen- und völkerrechtswidrigen Umgang mit politischen Gegnern im eigenen Land. Dem Veto - Recht im Sicherheitsrat sei Dank. Ein weiterer Kritikpunkt der Wirtschaftssanktionen ist die Tatsache, dass damit nicht anvisierten Diktatoren und Despoten gestraft werden, sondern die unschuldige Zivilbevölke-rung, nämlich mit Hungersnot, Arbeitsplatzverlust sowie Schwarzmarkt. Daneben gewinnen die Diktatoren immer mehr an Macht und Akzeptanz. Somit bezeichnet der belgische Rechts-professor Marc Bossuyt, der einen von der UNO in Auftrag gegebenen Bericht über Wirt-schaftssanktionen verfasst hat, diese zumeist als wirkungslos und verstossend gegen internati-onales Recht.

Fazit: Die wichtigsten Instrumente der UNO sind stumpfe Waffen, wirkungslos und nicht selten kontraproduktiv.

Warum die UNO Probleme hat

Hier liegt vielleicht das Hauptproblem der UNO: Sie findet weder Akzeptanz noch wird sie ernst genommen als Weltlandsgemeine. Die UNO ist in den Augen der breiten Bevölkerung nicht viel mehr als ein simples Diskussionsforum für gutbezahlte Magistraten. Dies hat 3 Gründe:

Grund 1: Das System: Der Aufbau sowie die Organisation der UNO sind zutiefst undemo-kratisch. Nur gerade an der UNO - Vollversammlung ist jedes Mitglied nach Stimmen gleichberechtigt. Dieses Organ, das nach unserem Verständnis an oberster Instanz sein sollte, hat aber noch weniger Macht, als dies die Aktionäre an einer GV haben. Die UNO - Vollver-sammlung besitzt keinerlei für grossbürokratische Organisationen wie UNO so wichtige exe-kutive Gewalt; ihre Beschlüsse haben den Charakter blosser Empfehlungen. Dasjenige Organ, welches aber tatsächlich am meisten Macht hat, ist unbestritten der Sicherheitsrat, und hier wiederum vor allem die USA. Hier ist aber nur ein sehr kleiner Teil aller Mitgliedstaaten ver-treten. Tätigt der Sicherheitsrat nun einen Beschluss, welcher ein Nichtmitglied des Sicher-heitsrates, zum Beispiel Serbien, Kambodscha, Mazedonien, Afghanistan, etc. negativ betrifft, so gleicht dies einer Fremdbestimmung in übelstem Masse. Andererseits haben die fünf stän-digen Mitglieder im Sicherheitsrat das Privileg, mit ihrem Veto - Recht die ihnen missliebi-gen Entschlüsse zu blockieren. Das Völkerrecht wird plötzlich zur Nebensache. So schafft sich die UNO weder Vertrauen noch Akzeptanz. Nach dem eingangs erwähnten Völkermord in Ruanda hat die Regierung von Ruanda dann auch erklärt, man fühle sich von der UNO betrogen. Die UNO findet sehr wohl bei Diplomaten, Politikern, Magistraten Anerkennung, nicht aber bei der Bevölkerung. Die UNO kann eben auch nicht fähig sein, wie so etwa jedes Grossmachtgebilde, den "Kleinen" genügend Interessenvertretung und Mitsprachemöglich-keiten einzuräumen. Diese "Kleinen" haben dafür die Ehre, von den Grossmächten zum Zwe-cke des Friedens missbraucht und ausgenutzt zu werden. Es sind eben auch hier die Grossen, welche die UNO lenken. "Der Stärkere hat immer recht" und "Macht kommt vor Recht", die-se Aussagen wird auch die UNO nicht widerlegen können.

Grund 2: Die UNO als politische Instanz verfolgt parallel zwei Ziele, aber kann, da die bei-den Ziele so verschieden sind, keines von beiden erreichen: Erstens will sie die humanitär sein, zur Völkerverständigung beitragen, vermitteln. Andererseits ist sie eben eine politische Instanz, welche sich gegen eigene Mitglieder wenden kann und diese entsprechend auch sank-tioniert, sie ist Partei. Dies macht die UNO als Vermittlerin unglaubwürdig und schmälert das Vertrauen in Sie.
Die politische Parteinahme der UNO ist auch der Grund, dass man in Konfliktgebieten - zu-mindest sicherlich auf einer Seite - UNO - Truppen nicht als friedensstiftende, übergeordnete Kraft akzeptiert. Die UNO hat in diesem Sinne keine Autorität. Abgesehen davon kann mit einer militärischen Intervention Krieg bestenfalls verzögert, aber langfristig nicht verhindert werden. Der Hass auf die andere Konfliktpartei bleibt bestehen. Zum Schweigen gebracht hat man auf Dauer niemanden. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Die Dominanz der westlichen Grossmächte in der UNO hat im Weiteren zur Folge, dass die Uno mit der NATO in einen Topf geworfen wird. Und dies zurecht. Hier nur 2 Beispiele: In Mazedonien agiert die UCK mit amerikanischer Unterstützung aus einem UNO - Protektorat (Kosovo), das mit Hilfe von etwa 40000 NATO - Soldaten beschützt bzw. aufrecht erhalten wird! Zudem will die NATO der UCK mehr Mach in Mazedonien verleihen. Im Gegensatz müssen die UCK einige (veraltete und zum Teil nicht mehr funktionsfähige) Waffen ablie-fern. Der mazedonische Ministerpräsident hat sich dementsprechend in einem Brief an Kofi Annan empört.
Im Kosovo - Konflikt betreiben die vereinten Nationen eine Politik, welche die gleiche impe-rialistische Haltung wie diejenige der NATO offenbart. Nell Wright, der stellvertretende Lei-ter des UNO - Hochkommissariats für das Flüchtlingswesen in Südosteuropa, hielt fest, dass die Tatsache, wonach die UNO während des Kosovo - Konfliktes mit der NATO in einen Topf geworfen worden sei, die Arbeit zugunsten der Flüchtlinge auf dem Gebiet Jugoslawiens faktisch verunmöglicht hat.

Grund 3: Liegt die Macht wirklich bei der UNO? Die Antwort lautet ganz klar: NEIN!. Die Macht liegt heute ganz klar bei der NATO oder weiterhin bei den mächtigen Einzelstaaten, welche über die UNO die "Kleinen" in ihre imperialistischen Vorhaben miteinbeziehen. Die UNO macht einem vor, für eine kollektive Sicherheit garantieren zu können. Nun, wie wird das wohl möglich sein, wenn die UNO es bisher, trotz ihrer Absicht, nie geschafft hat, eine eigene militärische Streitmacht aufzustellen, welche ihre Beschlüsse ausführen oder überwa-chen würde. Die UNO ist angewiesen auf die Streitmächte der Einzelstaaten, der NATO und somit, der Kreis schliesst sich, auf die Weltmacht Nr. 1, die USA. So findet auch der Artikel 43 der UNO - Charta (" 1. Alle Mitglieder der Vereinten Nationen verpflichten sich, zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dadurch beizutragen, dass sie nach Massgabe eines oder mehreren Sonderabkommendem Sicherheitsrat auf sein Ersuchen Streitkräfte zur Verfügung stellen, Beistand leisten und Erleichterungen einschliesslich des Durchmarschrechts gewähren, soweit dies zur Wahrung des Weltfriedens und der internatio-nalen Sicherheit erforderlich ist") für die Grossmächte keine grössere Bedeutung, da nicht der Sicherheitsrat, sondern die Grossmächte am längeren Hebel sind.
Und darum kann die UNO auch keine Kriege verhindern. Sie wird nicht ernst genommen: Die Operation "Allied Force" im Kosovo erfolgte ohne UNO - Mandat. Folglich heisst das soviel wie: Wenn die UNO mithilft, umso besser, macht sie (noch) nicht mit, tun wir es eben allein. Es wird auch die NATO unter amerikanischer Obhut sein, oder gar die USA selbst, die gegen die Terroristen, die aus Afghanistan stammen sollen, vorgehen werden. Oder konnte die UNO die Terroranschläge auf Amerika verhindern, konnte sie den Kosovo - Krieg verhindern, konnte sie bisher etwas dazu beitragen, dass der Nahost - Konflikt bereinigt wird? NEIN!

 

Wiederholt sich die Geschichte?

Der dtv - Atlas umschreibt Aufgaben und Zweck einer internationalen Organisation wie folgt: "... als Weltorganisation der Freien Völker dient zur Sicherung des Friedens und Förderung der internationalen Zusammenarbeit durch Beschränkung der traditionellen einzelstaatlichen Gewaltpolitik und Geheimdiplomatie, an deren Stelle die kollektive Gewaltanwendung aller Staaten (...) gegen eine Angreifernation (....) und die freie Diskussion der Staatsmänner vor der Weltöffentlichkeit tritt.(...)"
Könnten dies nicht die Aufgaben der UNO sein? Falsch! Das hier gilt für den Völkerbund. Die Ähnlichkeit dieser beiden Organisationen ist frappant. Die Unterschiede sind minim und beruhen weitgehend auf der heute anderen strategischen Lage und den damals anderen Priori-täten. Wie die UNO hatte auch der Völkerbund eine Generalversammlung, die einmal jährlich tagt und nicht gerade viel Macht hatte. Wie die UNO hatte auch der Völkerbund einen Si-cherheitsrat, den sogenannten Völkerbundrat mit 5 ständigen Mitgliedern und Siegermächten des 1. Weltkrieges, ausgenommen der USA, (Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan und China; Deutschland und die UdSSR kamen später hinzu) und 4 nicht ständigen Mitgliedern, welche ebenfalls von der Generalversammlung für jeweils 3 Jahre gewählt wurden. Die Ent-scheidungen des Rates mussten einstimmig gefällt werden. Auch besass der Völkerbund ein ständiges Sekretariat. Wichtigste Sonderorganisationen des Völkerbundes waren der Ständige Internationale Gerichtshof sowie die internationale Arbeiterorganisation. Eine weitere wichti-ge Aufgabe des Völkerbundes war die Verwaltung ehemals deutscher und türkischer Gebiete. Heute würde man diese vielleicht Protektorate nennen. Und schliesslich waren die Massa-nahmen des Völkerbundes, militärische und wirtschaftliche Sanktionen, auch nicht anders als diejenigen der UNO. Die Schweiz war ebenfalls dem Völkerbund beigetreten, trotz ihrer Neutralität. Die Gegner des Beitrittes argumentierten damals, dass der Völkerbund einseitig von den Siegermächten des 1. Weltkrieges dominiert sei. Und welche Situation haben wir heute: Im UNO - Sicherheitsrat sind mit Ausnahme von China die Siegermächte des 2. Welt-krieges vertreten.
Nun, das traurige Schicksal des Völkerbundes kennen wir ja. Das Flüchtlingsproblem und der damals latente Antisemitismus konnte der Völkerbund nicht lösen. Und das Ziel, die Siche-rung des Friedens nämlich, misslang auf ganzer Ebene. Schon 1933 traten Deutschland und Japan aus dem Völkerbund aus. Italien konnte nicht daran gehindert werden, Krieg gegen Abessinien zu führen. Die Embargos gegen Italien blieben wirkungslos, hatte es doch sehr viele Länder, die sich nicht daran beteiligten. (Anm.: In der heutigen Situation könnte gar kein Embargo verhängt werden gegen ein Mitglied des Sicherheitsrates). So trat auch Italien 1937 aus. Dem Völkerbund gelang es im Weiteren auch nicht, den Anschluss Österreichs, die An-nexion der Tschechoslowakei sowie den Angriff auf Polen zu verhindern. Der Völkerbund war gescheitert und wurde 1946 aufgelöst. Während den 26 Jahren seines Bestehens gehörten ihm 26 Mitglieder an, wobei Mächte wie z.B. die USA fehlten.
Man sieht also, die Idee des Abschiebens von Problemen auf internationale Instanzen ist kei-neswegs neu. Allerdings ist der Völkerbund bis heute noch nicht wirklich "tot". Der Völker-bund lebt mit seinem Aufbau sowie seinem Kapital heute in der UNO weiter. Was wird wohl als nächstes kommen?

Patrick Freudiger

Quellen

- graue Briefe
- Microsoft Encarta Enzyklopädie 2000
- Zeitfragen
- dtv - Atlas zur Weltgeschichte - Band 2
- Die schweizerische Flüchtlingspolitik 1933-1945