Schweiz im Visier

Geheimdienste warnen: Die Anzeichen für einen Terroranschlag in Europa mehren sich. Besonders gefährdet sind nach Ansicht von Experten Ziele mit hoher Symbolkraft. Dem VBS ist’s egal.

Vor einigen Wochen warnten uns die zuständigen Departemente. In Ländern des Nahen Ostens, Südostasiens und Afrikas mit islamischem Konfliktpotential seien Schweizer einem „generell höheren Anschlagsrisiko“ ausgesetzt. „Es wird dringend zu erhöhter Wachsamkeit und Vorsicht geraten“, heisst es in den Reisehinweisen. Was für Kenia, Indonesien und Ägypten gilt, müsste auch für die Eidgenossenschaft gelten. Al-Kaida-Führer Osama Bin Laden hat dies vergangene Woche ausdrücklich bestätigt, als er ausser Amerikanern und Briten auch unseren Nachbarstaaten Deutschland, Italien und Frankreich drohte:“ Ihr werdet getötet werden, so wie ihr tötet, und ihr werdet bombardiert werden, so wie ihr bombardiert. Seid auf weitere Erschütterungen gefasst.“
Eine Katastrophe ist also auch in der Schweiz keine Unmöglichkeit und auch bei Anschlägen in unseren Nachbarstaaten könnten wir direkt oder indirekt betroffen sein.
Die Sicherheitsexperten sind überzeugt: Gefährdet sind nicht nur westeuropäische Einrichtungen im Ausland; gefährdet sind vielmehr alle Bürger, die in Westeuropa leben. Der Deutsche Generalbundesanwalt Kay Nehm deutet nebulös an, neben dem Bin-Laden-Tonband gebe es weitere Signale, dass „etwas passieren könne“. Konkreter will der Chefankläger nicht werden. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen haben die Geheimdienste festgestellt, dass mutmaßliche Islamisten in jüngster Zeit ungewöhnlich viel reisen und miteinander telefonieren - wie vor den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon oder auf die US-Botschaft in Nairobi. Schon einige Male haben sich derart konkrete Hinweise nicht bewahrheitet, vielleicht auch deshalb, weil die US-Sicherheitsbehörden die Öffentlichkeit frühzeitig alarmierten. Die deutschen Kollegen verfügen bisher nicht über ähnlich detaillierte Erkenntnisse.
Experten denken, dass Bin Ladens Terrornetz über genügend Expertise und Personal verfügt, um auch in Westeuropa zuzuschlagen. Nach Einschätzungen des Deutschen Bundesnachrichtendienstes haben sich alleine in Deutschland einige Hundert Personen in afghanischen Lagern ausbilden lassen. Der Geheimdienst beobachte, dass al-Kaida neue Kämpfer vor allem über die Türkei nach Deutschland einschleusen will. Über die Zustände in der Schweiz wird geschwiegen.
In den Lagern wird der Guerilla-Kampf und das Bombenbauen gelehrt. Das Terrornetz hat möglicherweise sogar Zugriff auf ein ganzes Arsenal biologischer und chemischer Kampfstoffe.
Doch wie gut wäre die Schweiz gegen einen Terroranschlag gewappnet? Deutschland besitzt beispielsweise bereits für 24 Millionen Menschen Pockenimpfstoff und wird weitere 11 Millionen Einheiten anschaffen. Gerade bei biologischen Angriffen, werden die schrecklichen Folgen schnell über die Landesgrenze übertragen. Neben einer ausreichenden Menge an Serum sind vor allem der Bevölkerungsschutz und die Armee, von der Infrastruktur her sowie vom politisch-strategischen her, gefragt.

Das oberste Ziel der Eidgenossenschaft muss es sein, die Bevölkerung vor möglichen Angriffen möglichst gut zu schützen und sich als neutraler Kleinstaat aus den ganzen Konflikten herauszuhalten. Sicher spielen dabei viele Faktoren mit. Zwei sind für die Schweiz dabei von besonderer Wichtigkeit:
a) Je neutraler wir sind, desto weniger ziehen wir den Ärger von Terroristen auf uns und desto eher können wir der Welt als Friedensvermittler dienen.
b) Je besser unsere Armee und der Zivilschutz funktionieren, desto besser ist die Schweizer Bevölkerung vor möglichen Terroranschlägen geschützt.

Dem VBS (Bundesamt für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) scheint diese Tatsache egal zu sein. Mit der geplanten Armee XXI macht man genau das Gegenteil:

a) Unsere Armee diente bisher primär der Selbstverteidigung im Notfall. Mit der geplanten Armee XXI sollen Sondereinsatzkräfte weltweit und jederzeit eingesetzt werden können, wo schweizerische „Interessen“ mitspielen. Dass diese schweizerischen „Interessen“ sehr weit ausgelegt werden, ist eine Tatsache. Die Armee 21 arbeitet in Richtung einer professionalisierten, jederzeit international einsetzbaren und mit der NATO interoperablen Satelliten-Armee. Unsere Armeeplaner richten sich damit auf Nato und EU aus. Der Negativpunkt dieser mit dem Schlagwort „Sicherheit durch Kooperation“ betitelten Entwicklung ist die Unterwerfung einer ganzen Armee und damit eines ganzen Landes unter eine fremde Macht. Wenn Grossmächte und Militärbündnisse heute ihre Interessen mit Krieg durchsetzen, darf sich ein neutrales Land nicht dafür vereinnahmen lassen. Die Armee XXI ist als aggressives Kriegskonzept zu sehen. Die Schweiz würde dadurch die Gefahr eines Terroranschlages auf das eigene Land erhöhen. Das Prinzip des Konfliktimportes ist aktueller denn je: Gehst Du zur Krise, kommt die Krise zu Dir.

b) Im Gegenzug zu den geförderten Auslandtruppen sollen mit der geplanten Armee XXI ausgerechnet die besonders ausgebildeten Truppen zum Schutze der Bevölkerung und lebenswichtige Einrichtungen für unser Land abgeschafft oder geschwächt werden. Auch die Flughafenregiments sollen fallen. Gerade im Bezug auf mögliche Terrorakte sind die Flughäfen allerdings gefährdet. Korpskommandant Ulrico Hess meinte dazu in einem Interview mit dem Zürcher Unterländer:“(....) die Planer haben die Wichtigkeit des sensitiven Bereichs Flughafen nicht erkannt. Dabei geht es nicht nur um Kloten, sondern auch der Flughafen Genf ist betroffen. Genf und Zürich sind zwei ganz heikle Probleme. Innert Stunden kann sich hier die Situation ändern. Die Flughafenpolizei ist zwar sehr kompetent und personell gut dotiert, doch wenn ein Ereignis länger dauert, ist sie dringendst auf die Unterstützung der Armee angewiesen. Dies wurde bislang durch die Bataillone des Flughafenregiments sichergestellt. Wenn das fehlt, sind wir im Eimer."
Der Bestand der Armee wird ebenfalls massiv verkleinert und man fragt sich, wie in der heutigen unsicheren Zeit so was gerechtfertigt werden kann.
Zudem sieht die Armee 21 keine territorial verankerten Einheiten mehr vor. Eine gefährliche Zentralisierung in verschiedenen Bereichen wird vorangetrieben, was diametral dem Föderalismus, dem Schutz aller Regionen der Schweiz und der kantonalen Verankerung der Armee entgegenwirkt. Bei einem Grosseinsatz der Armee (z.B. Terroranschlag) könnte es dadurch zu Schwierigkeiten bei der Einsatzkoordination zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden kommen – zum Beispiel, wenn es darum geht, einen gefährlichen Erreger zu identifizieren. Das könnte dramatische Folgen haben. Auch die Vertrautheit der regional verankerten Truppen mit den örtlichen Gegebenheiten (Geografie, Mentalität, Sprache) geht dabei verloren.

Fazit: Die Armee XXI gefährdet unsere Sicherheit und ist die falsche Antwort auf die sicherheitspolitische Weltlage. Eine Reform der Armee ist aus verschiedenen Gründen notwendig, aber nicht in dieser Form. Die Armee XXI wäre ein Rückschritt.
Die Befürworter dieser „Reform“ sprechen wie bei allen Reformen von einer „erfolgreichen, modernen und harmlosen Reform.“ Das tönt schön, ist aber längst nicht mehr glaubwürdig. Eine bessere Begründung für die Armee XXI-Befürworter wäre: „ist so weil ist so“!

Lukas Reimann, Präsident Young4FUN.ch Deutschschweiz, Wil SG