1. August-Rede von Kevin Steffen
Stadt Aarau 2002

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger

Es ist für mich eine Ehre, in der Hauptstadt meines Wohnkantons die 1. August-Rede halten zu dürfen. Früher im Fricktal, nun im Wynental lebend, war für mich Aarau schon immer ein zentraler Ort. Bereits drei Jahre gehe ich nun in Aarau zur Schule und lerne so die Stadt näher kennen.

Aarau ist eine vielfältige Stadt. Sie ist ein wichtiger Standort für die Aargauer Wirtschaft, Bildung und Politik. Ihren Einwohnern bietet sie eine hohe Lebensqualität und ein abwechslungsreiches Freizeitangebot. Schauen wir uns hier etwas um, stellen wir fest, dass Aarau auch eine schöne, noch naturbelassene Landschaft bietet.

Ich stehe heute hier, weil ich an einem Projekt der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände SAJV teilgenommen habe. Das Projekt ermöglicht rund 200 Jugendlichen, am Nationalfeiertag eine Rede zu halten. Die Stadt Aarau hat an diesem Projekt ebenfalls teilgenommen. Ich möchte mich deshalb bei den Verantwortlichen bedanken, dass mir diese Möglichkeit geboten wird. Meine Rede soll, so habe ich es mir vorgenommen, die Gedanken von uns Jungen wiederspiegeln. So habe ich Jugendliche in meinem Alter befragt, was ihnen an unserem Land gefällt und welche Themen ihnen wichtig scheinen. Zentrale Lage und landschaftliche Vielfalt

Mich überraschte, dass beinahe allen Befragten die zentrale Lage und die landschaftliche Vielfalt unseres Landes von grosser Bedeutung sind. Die zentrale Lage der Schweiz hat für uns Vorteile sowie Nachteile. Die wichtigsten Handelspartner sind unser Nachbarländer, was für unsere Wirtschaft positive Auswirkungen hat. Einen weiteren Vorteil sehe ich beim Tourismus, ist unser Land schnell und ideal erreichbar. Hingegen macht uns der Transferverkehr quer durch die Alpen Probleme.

Freude dürfen wir an unserer landschaftlichen Vielfalt haben. Kaum ein anderes Land bietet solch verschiedene Klimas auf engstem Raum. Die Alpen laden uns im Sommer zum Wandern ein – im Winter geht’s auf die Piste. Wer lieber etwas Erholung sucht, findet sie im Tessin bei warmem Mittelmeerklima. Nicht zuletzt dank den weltbekannten Produkten wie Schoggi, Käse und dem Schweizersackmesser ist und bleibt die Schweiz ein Ferienziel für Menschen aus der ganzen Welt. Doch erwarten auch die jungen Schweizer, dass der Tourismus weiter gefördert wird und wir zu unserer Natur Sorge tragen. 1. August-Rede 2002 – 1 – www.jungpolitiker.ch Bildung

Auch die Bildung steht bei den Jungen im Vordergrund. Trotz dem schlechten Abschneiden bei der PISA-Studie, sind die jungen Schweizerinnen und Schweizer zufrieden. Bedenken haben sie beim immer grösser werdenden Ausländeranteil in den Klassen. Es wird befürchtet, dass mangels Deutschkenntnissen und den zum Teil grossen Mentalitätsunterschieden Schweizer benachteiligt werden. Wir führen in der Schweiz eine fortschrittliche Bildungspolitik, welche es allen Jugendlichen erlaubt, eine Schulausbildung zu absolvieren und ihnen somit einen guten Einstieg in die Wirtschaft ermöglicht. Die meisten Schulen sind innovativ und passen sich der Zeit an. Aus eigener Erfahrung denke ich vor allem an den Informatik- und Englischunterreicht.

Verkehrspolitik
Das Thema Verkehr ist bei der jungen Bevölkerung in aller Munde. Hier ist der öffentliche Verkehr von grosser Bedeutung, da die wenigsten in meinem Alter über ein Auto verfügen. Die Jugendlichen erwarten bessere Verbindungen in kleinere Ortschaften sowie lukrativere Angebote für Lehrlinge und Studenten. Leider muss ich miterleben, wie die SBB unseren Kanton immer mehr vernachlässigen. So fährt der neue InterRegio von Zürich nach Biel in Aarau vorbei und ab Dezember wird in Lenzburg nur noch stündlich ein InterRegio Halt einlegen. Ich würde es toll finden, wenn die Aargauer Regierung mehr daran setzt, interessante nationale Verbindungen zu erhalten und auszubauen. Denn der öffentliche Verkehr ist für den Wirtschaftsstandort und für uns Junge von entscheidender Bedeutung und macht unseren Kanton interessanter. Wirtschaft und Sozialleistungen Die jungen Schweizer und Schweizerinnen interessieren sich auch für die Wirtschaft und den Sozialleistungen unseres Landes. Sie freuen sich darüber, dass sie ohne grosse Probleme einen Ausbildungsplatz gefunden haben und sie in einem Land leben dürfen, welches eine sehr kleine Arbeitslosigkeit aufweist. Die Schweiz verfügt über ein Sozialwerk, welches auf der Welt einzigartig ist, doch machen sich die Jugendlichen auch hier Gedanken: Working Poor, alleinerziehende Mütter und Väter, Familien mit kleinem Einkommen. Auch die AHV beschäftigt die Jugendlichen unseres Landes. Wir wollen, dass es unseren Pensionierten gut geht, möchten jedoch auch nicht mehr Steuern bezahlen müssen. Im September stimmt das Schweizer Volk über die Goldinitiative ab. Unter anderem eine Möglichkeit unsere AHV für mindestens zehn weitere Jahre zu sichern und eine Anhebung der MWSt. zu verhindern. 1. August-Rede 2002 – 2 – www.jungpolitiker.ch

Drogenkonsum
Das Thema Drogen beschäftigt uns Jungen genau so fest wie unsere Eltern. Schliesslich wird man in den jungen Jahren abhängig von einer Droge. Ich war überrascht, als ich hörte, dass der Canabis-Konsum legalisiert werden soll. Eine Mehrheit der jungen Schweizerinnen und Schweizer erwarten von der Politik, dass sie in der Drogenpolitik gesetzliche Massnahmen ergreifen und nicht weitere Drogen legalisieren. Dazu gehören auch strengere Kontrollen beim Alkohol- und Zigarettenkonsum.

Sicherheit, Neutralität und Souveränität
Viele Jugendliche sind stolz auf die Sicherheit, Neutralität und Souveränität unseres Landes. Ihnen gefällt es, dass wir uns anderen Ländern gegenüber weitgehend neutral verhalten. Dass wir die Möglichkeit haben, frei und ohne Zwang von andern Ländern oder Staatenbünden entscheiden zu können. In der Schweiz müssen wir nicht grosse Angst haben. Bürgerkriege und Terroranschläge bleiben fern. Doch nahm in den letzten Jahren die Kriminalität zu. Viele Jugendliche und zwar nicht nur junge Frauen, getrauen sich am Abend nicht mehr alleine durch ihre eigene Gemeinde zu laufen. Es wird von der Politik erwartet, weitere Schritte zu unternehmen, um das Sicherheitsgefühl zu stärken. Auch die Kriminalität der ausländischen Bevölkerung ist bei den Jugendlichen ein grosses Thema. Ausländer, welche sich an Schweizer Gesetze halten, werden von der jungen Bevölkerung akzeptiert, doch findet man für Gesetzesbrecher aus dem Ausland oft kein Verständnis.

Die Neutralität und die Unabhängigkeit welche bei meiner Umfrage oftmals erwähnt wurde, sind für die Schweiz von grosser Bedeutung. Diese Grundwerte, welche in der Schweizer Verfassung verankert sind, gilt es meines Erachtens zu erhalten. Medien

In den jungen Lebensjahren versucht man sich in der Gesellschaft einzuordnen und seine eigene Meinung zu bilden. Hier tragen die Medien einen grossen Teil bei. In der Schweiz haben wir die Pressefreiheit, welche es den Medien erlaubt, ohne Einfluss des Staates zu berichten. Seit dem letzten Debakel um Borer und Ringier wurde jedoch die Pressefreiheit in Frage gestellt. Auch den befragten Jugendlichen gefallen solche Geschichten nicht. Zwar wird nicht die Pressefreiheit diskutiert, doch von den Journalisten mehr Achtung und Wahrhaftigkeit verlangt. 1. August-Rede 2002 – 3 – www.jungpolitiker.ch

Expo.02
In diesem Jahr – ein Jahr später als geplant – findet die Landesausstellung der Schweiz statt. Die Expo.02 soll ein Abbild der Schweiz sein, der jungen Bevölkerung einen Halt geben. Ob sie das tut, möchte ich offen lassen. Erfüllt die Landesausstellung ihren Zweck, wenn die Flagge des Landes abgefackelt wird, wie zum Beispiel bei einer Aufführung? Zudem werden bei der heutigen 1. August-Feier auf der Arteplage in Biel keine Schweizer Flaggen geduldet. Dies führt meines Erachtens zu einem Identitätsverlust. Diese Vorkommnisse verärgern viele junge Schweizerinnen und Schweizer. Weiter wird bemängelt, dass das Volk nicht über eine Durchführung der Expo abstimmen konnte und die Kosten nicht in Grenzen gehalten werden. Einige der Befragten besuchten die Expo bereits. Die Jugendlichen meinten, die Landesausstellung habe nicht viel mit der Schweiz zu tun, sondern sei eher eine Kunstausstellung. Auch ein Mittagessen für unter zwanzig Franken sei schwer zu finden.

Doch möchte ich Ihnen die positiven Gedanken über die Expo nicht vorenthalten. Die Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr sei äusserst gut, die Expo-Region schön und interessante Kunstwerke solle es auch geben. Die Expo.02, eine Landesausstellung auf eine spezielle Art, welche ihren Reiz hat, doch nicht für jedermann interessant ist. Image der Schweizerinnen und Schweizer Laut Berichten aus dem Ausland haben Schweizerinnen und Schweizer das Image einer langweiligen Person, welche gerne ihrer Arbeit nachgeht und diese auch exakt ausführt. Das Selbstbewusstsein wird kaum gezeigt. Mich interessierte es, was für ein Bild meine jugendlichen Kolleginnen und Kollegen von den Schweizern haben. Was ich gerade vorwegnehmen kann – es gibt lauter verschiedener Meinungen.

Die einen sehen den Schweizer als schlau, fleissig, gut gelaunt oder zufrieden, die anderen als eingebildet, ungeduldig und egoistisch. Wie nun der Schweizer wirklich ist, lässt sich kaum sagen, ist doch jeder von uns eine eigene Persönlichkeit – vielfältig wie der Aargau und die Schweizer Regionen. Jedoch hat sich im letzten Jahrhundert die Zeit gewandelt. Früher, als man noch in grossen Familien lebte, ums Überleben kämpfte, gab es noch den Zusammenhalt, die gegenseitige Rücksichtsnahme und die Geduld. In der heutigen Zeit, in der die Wirtschaft blüht, sind wir mehr zu Individualisten geworden, was nicht negativ gesehen werden darf. Doch dürfen wir den Kontakt und die Freundlichkeit zu unseren Mitmenschen nicht verlieren. Gegenseitige Rücksichtsnahme und Geduld sollten keine Fremdwörter werden.

1. August-Rede 2002 – 4 – www.jungpolitiker.ch Liebe Festbesucher, werte Politiker, geschätzte Medienvertreter Ich hoffe, Ihnen einige Gedanken der Jugend näher gebracht zu haben. Vergessen Sie nicht, dass ihr die Vorbilder der Jugend sind und nehmen Sie ihre Aufgabe wahr. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen festlichen Abend. 1. August-Rede 2002 – 5 – www.jungpolitiker.ch