Liebe
Uzwilerinnen, liebe Uzwiler
Herr Gemeindepräsident, geschätzte Gäste
Im
Rahmen des Projektes "...und die Jugend hat das Wort"
der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände
darf ich heute gemeinsam mit Ihnen den 1. August feiern. Es ist
keine Selbstverständlichkeit, dass eine Gemeinde einem Jugendlichen
aus der Region die Möglichkeit gibt, am 1. August die Ansprache
zu halten. Für diesen Mut und die Einladung möchte ich
der Gemeinde Uzwil ganz herzlich danken.
Wie
in jedem Lebensweg gab es auch auf dem Weg unseres Landes nicht
nur Höhen. Aber man brachte immer wieder den Willen auf, gemeinsam
die anstehenden Probleme zu lösen. Auch wenn in diesem Land
einiges nicht rund läuft, denken wir nur an die tragischen
Ereignisse und Rückschläge vom letzen Jahr. Dies sollte
uns doch am heutigen Nationalfeiertag Mut und Zuversicht geben,
die heutigen und die zukünftigen Herausforderungen zu bestehen.
Die
Eidgenossenschaft durchlebte viele Tiefen und Bedrohungen. Doch
immer gab es Bürger, die dafür sorgten, dass der Schweiz
die Treue bewahrt wurde. Genau diesen Bürgern sind wir heute
zu grossem Dank verpflichtet. Sie sorgten dafür, dass die Schweiz
zu einer Erfolgsgeschichte wurde und wir heute in Frieden und Wohlstand
leben können.
Wenn
wir an die Menschen denken, die sich für unsere Unabhängigkeit
einsetzten, dann kommen uns zuerst die militärischen Bedrohungen
in den Sinn. Vom jahrhundertelangen Freiheitskampf gegen die Habsburger
und andere Grossmächte bis zur Umzingelung in den beiden Weltkriegen
ist die Geschichte unseres Landes eine Geschichte der Wehrhaftigkeit.
Aber nicht nur auf militärischer Ebene, auch auf politischer
Ebene wurde mit Erfolg für die Unabhängigkeit des Landes
gekämpft, zum Beispiel beim Westfälischen Frieden 1648
oder beim Wiener Kongress 1815. (-> Neutralität)
Vergessen
wir aber auch eine weitere Ebene nicht. Die Grundlagen unserer heutigen
Schweiz wurden in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts geschaffen.
Damals entstand der heutige Bundesstaat. Strassen und Eisenbahnen
wurden gebaut, und es entwickelte sich eine blühende Industrie.
Im ganzen Land wurden Schulen eingerichtet. Um all das finanzieren
zu können, entwickelte sich auch der Bankensektor. Den bis
heute anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg verdanken wir den damaligen
weitblickenden Staatsmännern und den mutigen Industriellen.
Gerade hier in Uzwil spüren wir, welch wichtige Rolle die Industrie
gespielt hat und auch heute noch spielt. Zu Dank verpflichtet sind
wir aber nicht nur den Unternehmern, sondern auch den Arbeiterinnen
und Arbeitern in den Fabriken, die unter Entbehrungen, bei knappem
Lohn für sechs lange Arbeitstage in der Woche und ohne Ferienanspruch
schaffen mussten. Während die Industrie emporstrebte, verlor
die Landwirtschaft Land und Arbeitskräfte; die verbliebenen
Landwirte waren gezwungen, immer rationeller für eine wachsende
Bevölkerung Nahrung zu produzieren. Wir klagen heute oft über
Stress. Aber wir können uns kaum mehr vorstellen, welch hartes
Leben die Schweizerinnen und Schweizer noch vor 100 Jahren führten.
Was
diese Menschen hart erarbeiteten, davon zehren wir noch heute. Es
schmerzt darum, wenn wir mit ansehen müssen, wie im Zeichen
der heutigen Globalisierung viel von diesem Erbe verscherbelt wird.
Wie manche alteingesessene Firma, wie manches Produkt, das einst
der Stolz unseres Landes war, wie mancher vertraute Markenname ist
in ausländische Hände übergegangen oder verschwunden.
Denken wir nur daran, was sich in Winterthur oder in Arbon in den
letzten Jahren abgespielt hat. So mancher Schweizer Betrieb und
dadurch auch Arbeitsplätze, Einnahmen und ein Stück Unabhängigkeit
wurden leichtfertig ins Ausland verschleudert.
Zum
Glück, und da liegt meine Hoffnung, gibt auch positive Beispiele,
alteingesessene Betriebe, die sich nach wie vor behaupten. Schweizer
Betriebe, welche mit Kunden aus der ganzen Welt offen und erfolgreich
verhandeln und gleichzeitig ihrer Werte und Tradition bewusst sind,
indem sie Arbeitsplätze und Firmenbesitz in der Region oder
gar in der Familie behalten. So sollte es sein. Gerade hier in Uzwil
gibt es hervorragende Beispiele, welche für manchen Schweizer
Betrieb eine Vorbildsfunktion einnehmen.
Weltoffenheit
und Fortschritt, gepaart mit bodenständiger Tradition und Werte-Bewusstsein
- diese Mischung ist nicht nur ideal für Schweizer Unternehmen.
Aus dieser Mischung schöpft auch die Gemeinde Uzwil und schlussendlich
die Schweiz ihre Kraft. Vielfältigste Facetten und eine mehrheitlich
verantwortungsbewusste Bevölkerung prägen unser Land und
dies macht es so interessant. Es wird immer wieder behauptet, die
Schweiz sei ein langweiliges Land. Ich finde das überhaupt
nicht. Man muss sich doch nur umschauen hier. Ich finde wirklich,
unser Land ist interessant!
Trotz
all den beängstigenden Entwicklungen zeichnet sich die Schweiz
nach wie vor durch ein hohes Mass an Sicherheit, Volkswohlstand
und einmalige Freiheitsrechte aus. Dies hat stark mit den Besonderheiten
unseres Landes zu tun: Weltoffen sowie international solidarisch
sein, aber unabhängig bleiben und sich nicht in internationale
Grossgebilde und Machtstrukturen einbinden zu lassen: Das ist das
bewährte, vom Volk getragene und zugleich hochmoderne aussenpolitische
Konzept unseres Kleinstaates!
Mir
sind nationalistische wie internationalistische Ideologien zuwider.
Aber eine Welt ohne Nationalstaaten kann es nicht geben. Gerade
auch in Zeiten der Globalisierung braucht jeder Mensch eine Identität
und eine eigene Kultur. Ihr Verlust führt zu Vereinsamung,
Entwurzelung und Traurigkeit. Ich bin äusserst dankbar, hier
eine Heimat zu haben. Es ist an uns, die Erfolgsgeschichte Schweiz
weiterzuführen. Unsere Nachfahren sollen am tausendsten Geburtstag
der Schweiz im Jahr 2291 ihr Fest nicht im Museum feiern müssen.
Auch dann soll es heissen: La Suisse existe!
Heute,
am Nationalfeiertag, erleben wir es wieder - gerade wenn wir diese
Feier in Uzwil mit der schweizerfahnenfreien Zone an der Expo vergleichen:
Wir Schweizer brauchen keine komplizierte Erklärung dafür,
was unsere Nation ist. Die Schweiz ist einfach unser Zuhause - es
ist das Land, in dem wir gerne leben, zu dem wir uns gerne bekennen,
das wir interessant finden, das wir lieben - und das wir zu schützen
bereit sind.
Alle,
ob gross, klein, alt, jung, links, rechts, arm, reich gehören
zur Schweiz.
Vielleicht
haben Sie erwartet, dass ich heute über den Generationenkonflikt,
über die Probleme und Gräben zwischen alt und jung sprechen
werde. Doch Unterschiede zwischen den Generationen hat es immer
gegeben und wird es auch immer geben. Denken wir zurück an
die Globus-Krawalle der 70er-Jahre in Zürich. Das ist nicht
wichtig.
Wirklich wichtig ist, was alle zusammenhält: Es ist das Gefühl
der Zugehörigkeit zu unserem Land und insbesondere die gelebte
Demokratie, welche die Menschen dieses Landes vereint.. Diese Menschen
sind unterschiedlicher, wie kaum sonst wo: verschiedene Religionen,
vier verschiedene Sprachen, unterschiedliche Mentalitäten in
Stadt und Land, vielfältige Interessen etc.
Etwas
ganz Besonderes an unserem Staat, um das uns viele beneiden, ist
die direkte Demokratie. Sie ist das stärkste Bollwerk, gegen
die immer grösser werdenden Machtkonzentrationen, auf politischer
wie auf wirtschaftlicher, auf nationaler wie auf internationaler
Ebene. Sie hält unser Land zusammen, sie ist der beste Beweis
für ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichsten Kulturen
in Frieden und Freiheit und sie trägt wesentlich zu unserem
Wohlstand bei. Tragen wir Sorge zu ihr!
Unsere
Schweiz feiert heute Geburtstag. Ich nehme an, Sie mögen sie,
und möchten ihr darum ein Geschenk machen. Was könnte
das sein?
Ihr
Verantwortungsbewusstsein, Ihr Engagement und Ihre Hingabe sind
das schönste Geburtstagsgeschenk, das Sie der Schweiz, somit
den zukünftigen Generationen und auch mir bereiten können.
Ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich zum Wohl Ihrer Familien
einsetzen, auch für Ihre Gemeinde, für den Kanton St.Gallen
und damit für unser schönes Land. Sie übernehmen
damit Verantwortung und tragen die Erfolgsgeschichte Schweiz weiter.
Ich meine, diese Eigenverantwortung ist etwas ganz Entscheidendes.
Wir
sind uns alle darüber im klaren und bewusst, dass verschiedene
Kulturen und ethnische Gruppen nur in Freiheit und Frieden miteinander
leben können, wenn zwei grundlegende Bedingungen erfüllt
sind: Erstens ein funktionierender, dezentralisierter Föderalismus
und zweitens eine effiziente und florierende Wirtschaft, die Wohlstand
und Arbeitsplätze schafft. Die alten Föderationen dieser
Welt haben gezeigt, dass dies keinesfalls ein utopischer Traum bleiben
muss.
Deshalb
appelliere ich an die Jugend: Lasst uns die Welt föderalistisch
und dezentral gestalten, die Regionen und Kulturen müssen frei
atmen dürfen. Lasst uns die Demokratie verbreiten, indem wir
Machtmonopole brechen und die Macht auf verschiedene Stufen verteilen,
indem wir einzelnen Bürgern mehr Verantwortung zugestehen.
Die Verantwortung bleibt den Bürgerinnen und Bürgern aber
nur erhalten, wenn sie davon durch aktive Beteiligung am politischen
Leben Gebrauch machen. Politik ist nicht ein Hobby für eine
Minderheit. Sie geht alle etwas an.
An
die ältere Generation appelliere ich: Denkt daran, dass ihr
die Vorbilder der Jugend seid und nehmt Eure Aufgabe wahr. Lasst
die Jugend nicht im Stich auf ihrem Lebensweg und im Einsatz für
die Zukunft dieses Landes. Es braucht nicht nur die Jugend, es braucht
alle! Aber vermittelt auch der Jugend Werte, welche Ihr mitbekommen
habt. Gerade der Werteverlust und das daraus folgende Desinteresse
ist ein grosser Bremser des Engagements für junge Leute.
An
alle appelliere ich:
Lasst uns auch in schwierigen Zeiten mit Zuversicht, Mut und Selbstbewusstsein
das wertvolle Erbe unserer Vorfahren erhalten und gemeinsam die
Zukunft unseres interessanten und liebenswerten Landes gestalten.
Hier
an der Nationalfeier von Uzwil spürt man die Herzlichkeit und
die Echtheit der Freude über den 711. Geburtstag der Schweiz.
Für diese Heimatliebe danke ich Ihnen. Ich wünsche allen
einen schönen und festlichen Abend.
Lukas
Reimann, Wil
078 648 14 41 - lukasreimann@nonlimit.ch
Es gilt das gesprochene Wort.
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